Appell an die Bundeskanzlerin Merkel

21.01.2020 | News

„Setzen Sie sich bei Präsident Erdogan für die Freilassung von Osman Kavala und aller politischen gefangenen ein!“
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Amnesty International Deutschland, die Akademie der Künste, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union dju in ver.di, das KulturForum TürkeiDeutschland, das PEN-Zentrum Deutschland und Reporter ohne Grenzen Deutschland fordern die Bundeskanzlerin Merkel auf, sich bei ihrem Besuch in der Türkei beim Präsidenten Erdogan für die Freilassung von Osman Kavala und aller politischen Gefangenen in der Türkei einzusetzen. Der Prozess gegen Kavala wird am 28. Januar fortgesetzt.
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Der Prozess gegen den türkischen Verleger und Kulturmäzen Osman Kavala wird am 28. Januar in Istanbul fortgesetzt. Der 62-jährige Gründer der „Kulturstiftung Anadolu“ wird seit dem 1. November 2017 im Hochsicherheitsgefängnis in Silivri bei Istnanbul festgehalten. Ihm und weiteren Angeklagten im Gezi-Prozess wird unter anderem ein Umsturzversuch im Zusammenhang mit den regierungskritischen Gezi-Protesten von 2013 vorgeworfen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hatte schon im Dezember 2019 die lange Untersuchungshaft für Kavala scharf verurteilt und seine sofortige Freilassung gefordert. Obwohl Urteile des Gerichts für die Türkei als Mitglied des Europarats bindend sind, lehnte sie Kavalas Freilassung bis jetzt ab. Mitangeklagt waren 15 weitere Akademiker, Architekten, Schauspieler, die mittlerweile auf freiem Fuß sind; darunter auch der prominente Journalist Can Dündar, der zzt. in Deutschland lebt.

Die Gezi-Proteste hatten sich ursprünglich gegen die Bebauung eines Parks bei Taksim-Platz in Istanbul gerichtet. Sie entwickelten sich dann zu landesweiten Demonstrationen gegen die autoritäre Politik des damaligen Ministerpräsidenten und heutigen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan.

Kavala wird unter anderem beschuldigt, die Proteste mit ausländischer Hilfe finanziert zu haben. Das EMGR hatte in seiner Entscheidung am 10. Dezember festgestellt, dass dafür keinerlei Beweise vorgelegt worden seien. Es war zu dem Schluss gekommen, dass Kavalas Inhaftierung ihn und mit ihm alle türkischen Menschenrechtsverteidiger zum Schweigen bringen sollte.

Das Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen in Deutschland fordert die Bundeskanzlerin Merkel auf, sich direkt beim Präsidenten Erdogan gemäß dem EGMR-Urteil für die sofortige und bedingungslose Freilassung von Osman Kavala einzusetzen. Ebenso fordern wir die Freilassung des Schriftstellers Ahmet Altan und des Politikers Selahattin Demirtas, die trotz Proteste internationaler Juristen-Organisationen immer noch festgehalten werden. Die deutsche Bundesregierung sollte sich auf allen Ebenen für die Freilassung aller politischen Gefangenen einsetzen und auf die Wahrung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten in der Türkei drängen.

Osman Kavala hat sein Leben der Förderung der Zivilgesellschaft und der Kultur in der Türkei gewidmet. In den vergangenen 30 Jahren hat er zahlreiche unabhängige Menschenrechtsorganisationen unterstützt und eine Reihe von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Verlagen mitgegründet, so zum Beispiel die Helsinki Citizens’ Assembly (jetzt genannt Citizens’ Assembly) zur Förderung der Menschenrechte, Anadolu Kültür, eine der größten Kulturstiftungen des Landes zur Förderung der kulturellen Verständigung in der Türkei und den İletişim Verlag, der Literatur und Sachbücher veröffentlicht, die sich häufig mit den Tabuthemen der türkischen Gesellschaft auseinandersetzen.

Der Fall von Kavala und seinen Mitangeklagten ist nur ein Beispiel für das harte Vorgehen der türkischen Regierung gegen ihre Kritiker: Während des immer noch geltenden Ausnahmezustands seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli 2016 wurden etwa 1.500 Organisationen und Stiftungen geschlossen. Friedliche Proteste werden unterdrückt, wer sich kritisch über die Regierung äußert, muss damit rechnen, festgenommen zu werden; aktuell sitzen mehr als 130 Medienschaffende im Gefängnis. Seit Juli 2016 ist knapp 130.000 Beschäftigten des öffentlichen Dienstes willkürlich gekündigt worden, weil ihnen angebliche „Verbindungen zu terroristischen Vereinigungen“ vorgeworfen werden.