Nachruf: Journalist Celal Başlangıç gestorben

20.05.2024 | Nachruf

Am 10. Mai verabschiedeten sich in Köln über 200 Menschen aus dem Familien- und Freundeskreis, aus der Medienbranche sowie aus Politik und Zivilgesellschaft von Celal Başlangıç.  Er war langjähriger Chefredakteur des von ihm 2017 im Kölner Exil gegründeten, einflussreichen Oppositionssenders Artı TV und des Nachrichtenportals Artı Gerçek.

Başlangıç galt als einer der bekanntesten Journalisten der Türkei, der sich als einer der unbeugsamen Kritiker des Regimes in der Türkei und und als konsequenter Verteidiger der Menschenrechte profilierte. An der Beisetzung nahmen der HDP-Ehrenvorsitzende Ertuğrul Kürkçü und der DEM-Abgeordnete Saruhan Oluç, die Journalisten Kemal Göktaş und Vartan Estukyan, die Musiker Ferhat Tunç und Suavi sowie Şebnem Korur Fincancı, Vorsitzende der türkischen Ärztekammer teil. Zu den Trauerrednern gehörten unter anderem die Journalist:innen Günay Aslan, Hasan Cemal, Ragip Duran, Can Dündar, Banu Güven, und Osman Okkan.

Başlangıç, der während seiner Exil-Jahre in Köln das KulturForum als ein enger Freund und Berater begleitete,  hatte in der Türkei zunächst als Korrespondent und Autor der Tageszeitung „Cumhuriyet“ gearbeitet. Er wurde Leiter des Büros für die kurdischen Provinzen in der Ost-Türkei, und später auch Redaktionsleiter. Başlangıç berichtete 1989 trotz Zensur-Versuchen auf der Titelseite von Cumhuriyet über einen der größten Folterskandale des Landes: mehrere kurdische Bewohner der Gemeinde Cizre waren von türkischen Kommandos  gezwungen worden, ihre Exkremente zu essen. Nach anfänglichen Dementis mit Strafandrohungen musste schließlich auch der amtierende Ministerpräsident Özal  einräumen, das der Bericht wohl den Tatsachen entsprach.

Celal Başlangıç war einer der Mitbegründer der Zeitungen „Evrensel“ und „Radikal“; schrieb Kolumnen für T24, Gazete Duvar und Bianet und war Autor mehrerer Bücher, vor allem über den Krieg in den kurdischen Provinzen. Aufgrund zunehmender Repressalien mussten er und seine langjährige Mitstreiterin und Partnerin Ayşe Yıldırım, die ebenfalls für Cumhuriyet und später für Artı-TV arbeitete, bereits Ende 2016 die Türkei verlassen. Başlangıç wurde 2019 wegen des Vorwurfs der „Terrorpropaganda“ in Abwesenheit zu fünfzehn Monaten Haft verurteilt: er hatte aus Solidarität für einen Tag symbolisch die Chefredaktion der pro-kurdischen Tageszeitung „Özgür Gündem“ übernommen. Einige Monate später stand sein Name auf einer „Todesliste“ mit mehr als fünfzig Erdoğan-Gegnern.

Başlangıç, ein Vorbild für jüngere,  kritische Medienschaffende in der Türkei, ist am 3. Mai im Alter von 68 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung in Köln gestorben.

Auf der Trauerfeier im Kölner Nordfriedhof: Osman Okkan verabschiedet sich von seinem Freund Celal Başlangıç – Foto: Can Dündar

Titelfoto: © Selahattin Sevi / VelevNews