Liebe Freundinnen und Freunde des KulturForums,
der Umgang mit dem mutmaßlich islamistischen Anschlag vom 13. Februar in München, bei dem zwei Menschen getötet und weitere 37 Personen verletzt wurden, hat gezeigt, wie sich Politiker mit Forderungen nach mehr Härte beim Thema Migration gegenseitig überbieten und so den Diskurs immer weiter nach Rechts verschieben. Die Ursachen für die abscheulichen Attentate werden kaum noch sachlich thematisiert; eine wirksame Prävention mittels einer effizienten und langfristigen Integrationsarbeit steht nicht auf der Tagesordnung.
Am 19. Februar jährt sich zum fünften Mal der Anschlag von Hanau, bei dem Gökhan Gültekin, Sedat Gürbüz, Said Nesar Hashemi, Mercedes Kierpacz, Hamza Kurtović, Vili Viorel Păun, Fatih Saraçoğlu, Ferhat Unvar und Kaloyan Velkov aus rassistischen Motiven von einem rechtsextremistischen Terroristen ermordet wurden. In den Tagen vor der Bundestagswahl erleben wir hingegen, dass die bundesweiten Demonstrationen, die sich mit mehreren hunderttausend Teilnehmenden gegen den Rechtsruck wandten, nur wenig politische Beachtung finden.
Eine neue Studie des DeZIM hat sich derweil mit den Präferenzen von Wahlberechtigten mit Migrationshintergrund befasst, die rund 13% des Elektorats in Deutschland ausmachen. Dabei ähnelt sich die Problemwahrnehmung bei allen Wahlberechtigten, jedoch gibt es ein geringeres Vertrauen in die Lösungsfähigkeiten der derzeitigen politischen Parteien und größere Sorgen hinsichtlich der Wohnsituation und materiellen Situation bei Menschen mit Migrationsgeschichte, die sich auch in einer deutlich niedrigeren Wahlbeteiligung niederschlagen.
In der Türkei wächst der Druck auf die Oppositionsparteien. Mehrere CHP-Politiker wurden in den vergangenen Wochen verhaftet und angeklagt, darunter der Bürgermeister des Istanbuler Stadtteils Beşiktaş Rıza Akpolat und der Vorsitzende der Jugendorganisation der CHP Cem Aydın. Nun drohen auch dem Istanbuler Oberbürgermeister İmamoğlu mehr als sieben Jahre Haft sowie ein Politikverbot. Sein Fall ist besonders brisant, weil İmamoğlu als ein möglicher Anwärter für die nächsten Präsidentschaftswahlen gilt. Die CHP hat für Ende März Vorwahlen angekündigt, aus denen ein klarer Kandidat hervorgehen soll. Der erste Prozesstag gegen İmamoğlu ist für den 11. April angesetzt.
Neben der CHP steht auch die prokurdische DEM weiterhin im Visier der türkischen Justiz. Mit Sofya Alağaş aus Siirt wurde Ende Januar bereits die achte Bürgermeisterin durch einen Statthalter der Regierung ersetzt; der Co-Bürgermeister der Stadt Van, Abdullah Zeydan, wurde wegen Terrorismusvorwürfen zu mehr als drei Jahren Haft verurteilt. Gleichzeitig schreiten die Verhandlungen mit der PKK voran. Abgeordnete der DEM-Partei hatten Öcalan kürzlich im Gefängnis auf der Insel Imrali besucht und angekündigt, dass der PKK-Gründer bald einen historischen Friedensappell bekanntgeben werde. Die Einzelheiten für weitere konkrete Schritte bleiben derweil noch unklar.
Der abgesetzte Bürgermeister der Stadt Van Abdullah Zeydan(links) mit der Co-Vorsitzenden der DEM-Partei Tülay Hatimoğulları (am Mikrofon) bei einer Kundgebung in Van – Foto: ©bianet.org