Liebe Freundinnen und Freunde des KulturForums,
uns alle besorgt der Angriff Russlands auf die Ukraine zutiefst. Gemeinsam sehnen wir uns nach Frieden und sofortiger Waffenruhe. Ein Hoffnungsschimmer ist die breite zivilgesellschaftliche Solidarität mit Flüchtenden aus der Ukraine in Deutschland und die mutigen Menschen, die in Russland gegen den Krieg ihrer Regierung protestieren.
Für die Türkei ist eine Positionierung in diesem Konflikt ein wahrer außenpolitischer Balanceakt. Einerseits ist sie Mitglied der NATO und Lieferant von Kampfdrohnen an die Ukraine, anderseits hat sie selbst das russische Raketenabwehrsystem S400 eingekauft und ist von russischem Gasabhängig. Dementsprechend schwankend verhielt sich die Türkei bei der Entscheidung, den Bosporus für russische Kriegsschiffe zu schließen – zu einem Zeitpunkt, an dem Russland bereits alle Schiffe aus dem Mittelmeer ins Schwarze Meer bringen konnte.
Präsident Erdoğan nannte Putins Krieg einen „Angriff auf Demokratie und Freiheit, nicht nur in der Ukraine, sondern auf der ganzen Welt“ und bot sich gleichzeitig als Vermittler in diesem Konflikt an. Dass sich hier der Bock als Gärtner anbietet, störte weder die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, die am Rande des NATO-Gipfels beim Außenminister Çavuşoğlu für die „starke deutsch-türkische Partnerschaft“ bedankte, noch Bundeskanzler Scholz. Die Türkei hält nach wie vor Gebiete in Nord-Syrien besetzt, aus denen regelmäßig Menschenrechtsverletzungen berichtet werden. „Militäroperationen“ im Nord-Irak, Libyen und im Ägäischen Raum sind nach wie vor aktuell.
Gegen den Krieg protestieren weltweit Millionen von Menschen, darunter auch mehr als tausend Schriftstellerinnen und Schriftsteller in einem öffentlichen Brief des PEN, wie auch der türkische Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk und die Autorinnen Aslı Erdoğan und Elif Shafak (siehe auch Spiegel Kultur). Zugleich wenden sich viele Kulturschaffende, wie Zülfü Livaneli und Oya Baydar, gegen die Hysterie, das „russische Element“ auch aus der Kunst und Kulturszene zu entfernen, die darin gipfelte, u.a. auch Werke von Tolstoi, Pushkin und Tschaikowski zu verbannen.
Die nächsten Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei stehen offiziell erst im nächsten Jahr an, der Wahlkampf hat jedoch bereits begonnen. Im Februar trafen sich auf Initiative des CHP-Vorsitzenden Kemal Kılıçdaroğlu sechs Vorsitzende der im Parlament vertretenen Parteien(siehe auch Vorwärts). Sie eint der Anspruch, das parlamentarische System wieder einzuführen und Erdoğan inklusive der AKP an der Regierung abzulösen. Nicht eingeladen wurde die HDP, obwohl vor allem Kılıçdaroğlu sich später bei seinem vielbeachteten Besuch in Diyarbakır für eine realistische, auf Gleichberechtigung basierte Kurden-Politik einsetzte.
In der Zuversicht, dass wir uns weiterhin gemeinsam für Frieden und Menschenrechte einsetzen!
Ihr KulturForum-Team