Nach kurzer, schwerer Krankheit ist Vassilios „Nick“ Nikitakis in der Nacht zum Montag, dem 4. August, in seinem Geburtsort Thessaloniki verstorben. Hier, in seiner geliebten Heimatstadt, hatte er seine ersten Lebensjahre verbracht, bevor er als Fünfjähriger 1960 mit seinen Eltern nach Köln kam. Wie in den letzten Jahren machte er auch in diesem Jahr dort Urlaub mit seiner Frau Monika und seinen aus Austin/Texas angereisten Töchtern Ileana und Alexia.
Die meisten Kölnerinnen und Kölner kannten Nikitakis weniger unter seinem Taufnamen Vassilios, sondern eher als „den Nick“ aus dem Eigelsteinviertel. In der Kölner Musikszene war er als virtuoser Instrumentalist, Komponist und umtriebiger Impulsgeber bekannt und beliebt. Seine aktive Mitwirkung an der Musikerinitiative „Arsch huh – Zäng ussenander“, die im November 1992 in der Kölner Südstadt rund 100.000 Menschen zum Protest gegen Rassismus, Faschismus und Menschenfeindlichkeit mobilisiert hat, ist bis heute unvergessen.
Mit Nedim Hazar und anderen Freunden hatte Vassilios Nikitakis Musikerkolleg:innen, Schauspieler:innen und Schriftsteller:innen aus dem Kölner Kulturleben dazu bewegt, gemeinsam kraftvoll und unmissverständlich gegen die aufkommende Gefahr von Rechts zu protestieren. Den damals entstandenen und heute immer noch hoch aktuellen Song zur Aktion, der dazu aufruft den Hintern hoch- und die Zähne auseinander zu bekommen, also laut und aktiv zu werden, hat Vassilios Nikitakis komponiert. Wolfgang Niedecken schrieb den Text dazu, eine Kölner All-Star-Band hat ihn seinerzeit performed und damit eine bundesweite Wirkung erzielt.
Nikitakis musikalische Bandbreite war enorm. Im sogenannten Krautrock und im Blues-Genre war er Mitglied diverser Bands, als gefragter Gitarrist begleitete er Popstars auf großen Tourneebühnen und in Aufnahmestudios, als Roadie und später als gerne gesehener Gastmusiker kooperierte er mit der Mutter aller Kölsch-Gruppen, den Bläck Fööss, die ihn gerne für Stücke mit der Bouzouki auf die Bühne holten. Schließlich schuf er Filmmusiken, die jede(r) kennt, der oder die die Lindenstraße und deren Geschichten aus dem Restaurant Akropolis gesehen hat.
Nikitakis war nicht nur Musikperformer, er war auch Musikpädagoge. Vielen jungen Musiker:innen hat er die ersten Schritte zur Bühnenreife vermittelt. Ileana und Alexia Nikitakis setzen sein musikalisches Erbe nun in den USA fort. Im Rahmen interkultureller Sozialprojekte nutzte er die Möglichkeiten der Musik, um jungen Menschen zu helfen, einen eigenen Ausdruck und Selbstbewusstsein zu finden. Vielen Kindern und Jugendlichen aus Einwandererfamilien oder mit Fluchterfahrung hat er damit wichtige Impulse für ihr Leben gegeben.
Durch all seine verschiedenen Lebensstationen zog sich Nikitatis’ leidenschaftliches Engagement für eine Verständigung zwischen seinem Herkunftsland und der Türkei. In ihm wussten wir immer einen verlässlichen Partner und Unterstützer unserer Freundschaftsinitiative Griechenland/Türkei. Dafür gilt ihm unserer besonderer Dank.
Bis 2014 war Nikitakis ein unermüdlicher Kulturschaffender. Dann bremste ihn ein schwerer Schlaganfall, der ihn in den Rollstuhl zwang und sein Sprachvermögen stark einschränkte. Gleichwohl blieb er ein interessierter und kritischer Zeitgenosse. Er genoss es, in der Kölner Griechischen Gemeinde Solidarität zu erleben. Er liebte die Kneipen, Restaurants und Eiscafés in seinem „Ehrenfeld“. Und er verfolgte mit Sorge die zunehmende Spaltung in der Gesellschaft und die Erfolge rechter Ideologen und Ideologien. Seine kulturelle Leistung und sein gesellschaftspolitisches Engagement fanden schließlich am 23. August 2021 ihre angemessene Würdigung mit der Verleihung des Verdienstordens des Landes Nordrhein-Westfalen durch den damaligen Ministerpräsidenten Armin Laschet.
Der Künstler Vassilios „Nick“ Nikitakis war bis zuletzt ein kämpferischer Antirassist und großer Menschenfreund. Wir werden ihm ein würdiges Andenken wahren.
von Toni Rütten
Foto: Nikitakis bei Verleihung des Landesverdienstordens im August 2021 – © T. Rütten