Anlässlich der Skandal-Urteile gegen Osman Kavala und weitere Angeklagte im Gezi-Prozess in Istanbul appelliert das KulturForum gemeinsam mit Amnesty International, der Akademie der Künste, dem Börsenverein des deutschen Buchhandels, der Deutschen journalisten-Union in ver.di, PEN-Zentrum und weiteren demokratischen Organisationen erneut an die Bundesregierung, sich endlich eindeutig gegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei auszusprechen.
Am gestrigen Montag, den 25. April, ist Osman Kavala, Gründer und Leiter der Istanbuler Kulturstiftung Anadolu Kültür, wegen „des Versuchs, die Regierung zu stürzen“ zu lebenslanger erschwerter Haft verurteilt worden. Sieben weitere Angeklagte sollen je 18 Jahre in Haft: Politikwissenschaftler Hakan Altınay, Menschenrechtsanwalt Can Atalay, Bildungsaktivist Yiğit Ali Ekmekçi, Stadtplaner Tayfun Kahraman, Journalistin Çiğdem Mater, Filmmacherin Mine Özerden und die Architektin Mücella Yapıcı.
Kavala ist seit nunmehr viereinhalb Jahren im Hochsicherheitstrakt in Silivri inhaftiert, obwohl der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) bereits im Dezember 2019 seine Freilassung verfügt hatte. Auch das auf die Nichtbeachtung der Türkei hin initiierte Vertragsverletzungsverfahren des Ministerkomitees des Europarats, das seit Dezember 2021 läuft, hat die Herrschenden in Ankara bislang nicht beeindruckt.
Das KulturForum und Amnesty International, die Akademie der Künste, der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) in ver.di, das PEN-Zentrum Deutschland, Deutscher Journalist:innen-Verband DJV und Reporter ohne Grenzen haben in den letzten viereinhalb Jahren gemeinsam immer wieder an die Bundesregierung appelliert, sich bei Präsident Erdoğan für die Freilassung von Osman Kavala und aller politischen Gefangenen in der Türkei einzusetzen.
Die gestrige Verurteilung von Kavala und den sieben Mitangeklagten steht beispielhaft für die Willkür, mit der die AKP-Regierung und die Justiz in der Türkei gegen unbequeme Stimmen in der Zivilgesellschaft vorgehen. Millionen von türkischen Bürger:innen, die an den Gezi-Protesten im Sommer 2013 teilgenommen hatten, werden so diskreditiert, ihre legitime Meinungsäußerung kriminalisiert.
Osman Kavala hat sein Leben der Förderung der Zivilgesellschaft und der Kultur in der Türkei gewidmet. In den vergangenen 30 Jahren hat er zahlreiche unabhängige Menschenrechtsorganisationen unterstützt und eine Reihe von zivilgesellschaftlichen Organisationen und Verlage mitgegründet.
Wir rufen daher erneut die türkische Regierung und Justiz auf, ihre unwürdige Vorgehensweise zu beenden und Osman Kavala freizulassen. Der EGMR hat in einem Urteil von Dezember 2020 auch die Freilassung des ehemaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş gefordert.
An die Bunderegierung appellieren wir:
Schluss mit der Tolerierung der Menschenrechtsverletzungen in der Türkei. Halten Sie Ihre Versprechen vor den Wahlen ein: Setzen Sie sich auf allen Ebenen für die Freilassung von Osman Kavala, Selahattin Demirtaş und allen anderen politischen Gefangenen in der Türkei ein!
Köln, den 26. April 2022
KulturForum TürkeiDeutschland