Liebe Freundinnen und Freunde des KulturForums,
wenige Monate vor den Wahlen wird bei den Parteien aktuell das Feld abgesteckt. Die Oppositionsführer:innen des sogenannten Sechser-Tisches kamen Anfang Januar erneut zusammen, um über eine gemeinsame Präsidentschaftskandidatur zu diskutieren. Einem der Kandidaten, İstanbuls Oberbürgermeister İmamoğlu, droht nach einer Verurteilung derweil weiter ein Politikverbot, über das nun zunächst ein Berufungsgericht entscheiden wird.
Im Raum stehen auch vorgezogene Neuwahlen. Aus den Reihen der AKP wurde zuletzt diese Option immer wieder vorgebracht. Die Absicht der AKP-Regierung, die kurdenfreundliche Partei HDP von den Wahlen auszuschliessen, tritt dabei immer deutlicher zutage. Das laufende Parteiverbotsverfahren droht in die nächste Phase einzutreten. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde der prokurdischen Partei vorläufig die staatliche Parteienfinanzierung entzogen und damit ein weiterer Schritt in Richtung vollständiger Kriminalisierung aller HDP-Aktivitäten vollzogen.
Auch die Zivilgesellschaft spürt aktuell den Druck der Regierungsbehörden. Dabei macht der professionelle Hintergrund kaum einen Unterschied. Sei es die Vorsitzende der türkischen Ärztekammer Prof. Şebnem Korur-Fincancı, oder die zahlreichen Journalist:innen denen im Dezember und Januar der Prozess gemacht wurde – die Hoffnung auf rechtsstaatliche Verfahren im Wahljahr 2023 schwindet zunehmend. Und doch, als im Dezember das Urteil von Çiğdem Mater im Gezi-Prozess von einem Berufungsgericht bestätigt wurde, ließ die Filmemacherin über ihre Anwälte mutmachende Worte verlautbaren: „Trotz allen Umständen spüren wir eine innere Ruhe und Fröhlichkeit, weil wir wissen, dass wir im Recht sind.“
Bild: CHP fotoğraf servisi