Editorial Januar 2025

16.01.2025 | Infomail

Liebe Freundinnen und Freunde des KulturForums,

Rund einen Monat vor den Neuwahlen in Deutschland rückt der öffentliche Diskurs immer weiter nach rechts. So forderte CDU-Spitzenkandidat Friedrich Merz, straffällig gewordenen Doppelstaatlern die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen zu können. Zwar hält selbst das Bundesinnenministerium eine solche Regelung für rechtlich fragwürdig, doch die Signalwirkung für Menschen mit Migrationsgeschichte ist fatal. Es bleibt zu hoffen, dass in den nächsten Wochen auch andere Themen wieder auf die politische Agenda kommen.

Ein zentrales Thema auch der deutschen Politik bleibt die noch undurchsichtige Lage in Syrien – und die Rolle, die die Türkei beim Wiederaufbau des Landes spielen könnte. Aktuell setzt Ankara vor allem darauf, die eigene Position im Norden des Landes zu zementieren und droht der kurdischen Selbstverwaltung offen mit einer Militäroperation. Derzeit unterstützt das türkische Militär bereits die islamistischen Milizen der Syrischen Nationalarmee im Kampf um die Kontrolle Nordsyriens mit Luftangriffen, bei denen auch zivile Ziele getroffen werden. Zuletzt wurden im Dezember die Journalistin Nazım Daştan und der Journalist Cihan Bilgin bei einem türkischen Drohnenangriff getötet. Aus den alawitischen Kreisen in Syrien werden massive Angriffe von Anhängern der neuen sunnitischen Machthaber gemeldet, die systematische Dimensionen annehmen.

In der Türkei deutet sich eine radikale Änderung in der Kurdenpolitik der AKP-Regierung an: Gespräche hinsichtlich einer Friedenslösung zwischen der prokurdischen DEM-Partei mit anderen Parteien, darunter auch die AKP und die ultranationalistische MHP, verliefen nach eigenen Angaben „freundschaftlich“. Sogar eine baldige Ansprache des seit 1999 inhaftierten PKK-Führers Öcalan im türkischen Parlament wurde in Aussicht gestellt. Ob es sich um einen tatsächlichen Paradigmenwechsel in der offiziellen Kurdenpolitik handelt, oder lediglich um ein durchsichtiges Manöver der Regierung, das Erdoğan mit Hilfe kurdischer Stimmen eine dritte Amtszeit ermöglichen würde, ist noch nicht abzusehen. Fest steht, dass die AKP-Regierung nach wie vor Tausende von politisch Verfolgten gefangen hält, darunter überwiegend kurdische Demokratinnen und Demokraten.

18 Jahre nach der Ermordung des armenischen Journalisten und Menschenrechtlers Hrant Dink laufen in Istanbul derzeit noch zwei Prozesse zu den Hintergründen der Tat. Hrant Dinks Mörder Ogün Samast wurde bereits Ende 2023 wegen guter Führung aus der Haft entlassen. Im Gedenken an Hrant Dink und seinen Einsatz für Demokratie und Menschenrechte finden auch in diesem Jahr wieder zahlreiche kulturelle Veranstaltungen statt. Einige davon finden Sie in den aktuellen Veranstaltungstipps.

Demonstrierende vor dem Gerichtsgebäude in Istanbul fordern Gerechtigkeit für Hrant Dink und Aufklärung der Hintergründe des Mordes  – Foto: ©bianet.org