Liebe Freundinnen und Freunde des KulturForums,
Der Würgegriff der AKP-Regierung, mit dem einerseits die Meinungs- und Pressefreiheit weiter ausgehöhlt und die Instrumentalisierung der Justiz vorangetrieben wird, während andererseits eine Verständigung mit der PKK angestrebt wird, um ein Wahldebakel zu verhindern, treibt immer seltsamere Blüten.
Zuletzt wurde der Journalist Fatih Altaylı zu mehr als vier Jahren Haft verurteilt. Altaylı, vor allem bekannt als Gesicht des TV-Senders Habertürk, wurde eine Aussage zum Verhängnis, die er in seinem YouTube-Kanal veröffentlicht hatte. Angelehnt an Diskussionen um eine mögliche weitere Amtszeit Erdoğans, hatte er historische Parallelen zum Osmanischen Reich gezogen, in dem es Volksaufstände gegen selbstgerechte Sultane gegeben hätte. Ein Istanbuler Gericht sah in dieser Aussage den Tatbestand der „Drohung oder physischen Gewalt gegen den Präsidenten“ als erfüllt an. Journalistenverbände und die Anwaltskammer kritisierten das Urteil als haltlos und willkürlich.
Selahattin Demirtaş muss sich nun wegen ähnlicher Vorwürfe erneut vor Gericht verantworten. Zuletzt keimte Hoffnung auf, dass das jüngste Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), den kurdischen Oppositionspolitiker sofort freizulassen, umgesetzt werden würde. Präsident Erdoğan hatte in Reaktion auf den EGMR gesagt, dass die Entscheidung bei der türkischen Justiz liege und er das Urteil akzeptieren würde. Stattdessen gibt es eine neue Anklage gegen Demirtaş, der bereits seit neun Jahren inhaftiert ist. Die Staatsanwaltschaft fordert bis zu sieben Jahre Haft für angebliche Beleidigungen gegen Präsident Erdoğan, die Demirtaş in zwei Reden im Jahr 2015 geäußert haben soll.
„Solange Demirtaş in Haft ist, gibt es keinen Friedensprozess“, ließ der renommierte Kolumnist und Abgeordnete Cengiz Çandar von der prokurdischen DEM-Partei nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verlauten. Ungeachtet dessen gehen die Verhandlungen zwischen der PKK und dem türkischen Staat weiter. Am 24. November hatten drei Mitglieder der Parlamentsdelegation direkte Gespräche mit dem PKK-Gründer Öcalan geführt und von Fortschritten berichtet. Für die PKK-Führung im nordirakischen Kandil-Gebirge ist die Freilassung Öcalans von zentraler Bedeutung. In einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP ließen sie mitteilen, dass die PKK alle angekündigten Schritte in Richtung Frieden ausgeführt habe und es nun an der türkischen Regierung liege, den Prozess voranzutreiben.
Demonstration in Istanbul anlässlich des internationalen Tags zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November – Foto: © Müberra Ünsal / bianet.org
