“Dark Waters“ in Siegen: Interview mit Dirigent Luka Hauser

08.12.2025 | Kulturnachrichten

„Durch das gemeinsame Musizieren kommunizieren wir, auch wenn wir nicht dieselbe Sprache sprechen”

Interview mit Dirigent Luka Hauser

GÜRSEL KÖKSAL
Der 28-jährige Luka Hauser, der das Philharmonie-Orchester Südwestfalen bei der Aufführung von “Dark Waters“ im Apollo-Theater in Siegen dirigierte, beantwortete nach dem Konzert unsere Fragen. Hauser, einer der jüngsten Orchesterdirigenten Deutschlands und Spross einer Musikerfamilie, hat ebenfalls einen multikulturellen Hintergrund. Geboren 1997 in Spanien als Sohn einer serbischen Mutter und eines deutschen Vaters, begann Hauser seine musikalische Ausbildung früh und schloss sie in Weimar und Berlin ab. Derzeit ist er einer der Kapellmeister der Stuttgarter Staatsoper. Für das Konzert der „Dark Waters“ übernahm Hauser die Leitung des Südwestfälischen Symphonieorchesters, eines Ensembles von rund 70 erfahrenen Musikern.

Die von Fuat Saka komponierte Symphonie Dark Waters ist die erste musikalische Arbeit über Migration als Symphonie. War es Ihre Entscheidung, bei dieser Aufführung die Leitung zu übernehmen?

Die Entscheidung, dieses Werk mit der Philharmonie Südwestfalen aufzuführen, kam vom Intendanten Michael Nassauer. Für mich war es sehr interessant, einen Begegnungspunkt zu finden zwischen der östlichen musikalischen Sprache von Fuat Saka, geprägt von türkischen Melodien und Rhythmen sowie Instrumenten wie der Lyra und dem Kaval, und der westlichen musikalischen Sprache eines Symphonieorchesters.

Die persönliche Migrationsgeschichte, die in diesem Werk beschrieben wird, hat mich sehr berührt, und sie ist ein hochaktuelles Thema. Musik kann ein Heilmittel sein, um die schwierigen Emotionen zu erzählen, ebenso wie ein Ort der Begegnung, wenn wir im Orchester Musiker:innen aus vielen Nationen haben, die ähnliche Geschichten mitbringen, und gemeinsam ein Publikum erreichen.

Deutschland ist eines der Länder, in denen die Einwanderung und ihre Folgen intensiv diskutiert werden. Manche Kreise betrachten die Einwanderer als Reichtum für dieses Land, während andere sie als Quelle immer ernsterer Probleme, als Belastung und gar als Gefahr betrachten. Auch Sie haben eine Einwanderungsgeschichte. Wie stehen Sie zu dieser Debatte?

Ich kann das Gefühl sehr gut nachvollziehen, keine Wurzeln zu haben, die an einen bestimmten Ort gebunden sind. Meine Mutter kommt aus Serbien, mein Vater ist Deutscher, aber ich wurde in Spanien geboren und bin dort aufgewachsen. Im Laufe meines Lebens bin ich sehr oft umgezogen und habe mich immer dort zu Hause gefühlt, wo ich gerade war.

In meiner persönlichen Erfahrung ist das Heimatgefühl also nicht an einen Ort gebunden, sondern an Menschen und das können sehr viele unterschiedliche Orte gleichzeitig sein. Außerdem spielt Musik eine sehr große Rolle für mich: Überall dort, wo ich Musik machen kann und mit anderen Musikern in Kontakt bin, fühle ich mich zu Hause.

Glauben Sie, dass die Musikliebhaber, die Ihnen gestern Abend minutenlang applaudierten, die Botschaft des Werks nachvollziehen konnten?

Ich glaube, die begeisterte Reaktion des Publikums nach dem Konzert liegt an der Erkenntnis, dass wir Menschen, unabhängig von unserer Herkunft, dieselben Emotionen teilen. Ob es der Schmerz durch Verlust ist oder die Lebensfreude, die sich im Tanz und in der Musik ausdrückt: Diese Empfindungen verbinden uns bei einem solchen Konzert.
Außerdem lernt man, wenn man Vorurteile beiseite stellt und sich nicht von Klischees leiten lässt, dass wir viel mehr gemeinsam haben, sobald wir einander mit Empathie und Neugier begegnen. Das habe ich auch in meinem Publikum gespürt, auch in den Gesprächen nach dem Konzert.

Dieses Werk wurde als Gemeinsame Arbeit von Künstlern aus der Türkei, Griechenland und Deutschland präsentiert, vielleicht als Synthese der Musiktraditionen dieser Länder als eine Art multikulturelles Musik-Projekt. Glauben Sie, dass ähnliche multikulturelle Werke bei Musikliebhabern in Deutschland und Europa eine Chance haben?

Auf jeden Fall haben solche Projekte gute Chancen. Es braucht nur den Mut von Veranstaltern und Intendanten, um solche Programme auf den Spielplan zu setzen. Und gerade die Begeisterung des Publikums bestätigt eindrücklich, dass ein sehr großes Interesse an solchen Projekten besteht.

Bei mir hat dieses Projekt auf jeden Fall die Neugier geweckt, mich weiter in diese unterschiedlichen musikalischen Sprachen zu vertiefen. Besonders die Art der Improvisation und die verschiedenen Rhythmen der türkischen Musik haben mich sehr fasziniert.
In Stuttgart, wo ich als Kapellmeister tätig bin, haben wir ebenfalls an Projekten mit dem Babylon Orchester aus Berlin, sowie mit der Gruppe La Fleur, in der Sänger und Tänzer aus der Elfenbeinküste dabei sind. Ich bin in jedem Fall gespannt auf weitere Projekte, die durch Musik Begegnungspunkte zwischen unterschiedlichen Kulturen schaffen. Das Schöne daran ist, dass wir durch das gemeinsame Musizieren miteinander kommunizieren, selbst wenn wir nicht dieselbe Sprache sprechen.

Bild: https://lukahauser.com/ – © Luka Hauser